Theater Baden-Baden
von Campusradio Karlsruhe · Veröffentlicht · Aktualisiert

Wie kann man junge Menschen wieder vom Theater begeistern und was macht das Theater in Baden-Baden schon alles für junge Menschen?
Im Bezug auf diese Fragen stand mir Birga Ipsen, die Leiterin des Jungen Theaters am Theater Baden-Baden, Rede und Antwort.
Interview
Chiara (Campusradio): Was glauben Sie, sind die Hauptursachen dafür, dass junge Menschen heutzutage weniger Interesse am Theater zeigen? Welche Rolle spielen dabei auch die sozialen Medien?
Birga Ipsen: Antwort: Ich bin mir nicht sicher, ob diese Aussage per se so stimmt. Es müsste auch definiert werden, im Vergleich zu welcher Zeit genau. Als Trend kann ich sagen, dass es sehr viel mehr und sehr viel durchdachteres Kinder- und Jugendtheater gibt als zu irgendeiner anderen Zeit. Kinder- und Jugendtheater ist ja ein eigenständiges künstlerisches und mittlerweile auch anerkanntes Genre in der Theaterlandschaft geworden. Natürlich haben die neue Medien und in kürzerer Vergangenheit die sozialen Medien die Kultur, die Welt und das Leben verändert, bei Erwachsenen wie auch bei jungen Menschen. Die Aufmerksamkeitsspannen werden deutlich kürzer, Sehgewohnheiten sind sehr anders geworden, die Wahrnehmung von Zeit. Deswegen ist Theater für viele junge Menschen, die mit der Schulklasse ins Theater gehen ein besonderes Erlebnis (im guten, wie im schlechten), weil der Moment des direkten Erlebens und der oft direkten Interaktion als Publikum mit den Schauspieler:innen ungewohnt ist. Darin sehe ich auch die große Chance und den großen sinnlichen „Mehrwert“ des Theaters. Das Theater war schon immer etwas unzugänglicher als andere Unternehmungen: man muss wissen, was gespielt wird, wann, ob es einen interessiert, sich eine Karte kaufen, hingehen… Mit einem Ball oder einem Smartphone kann man sofort sich beschäftigen. Deswegen ist die Zusammenarbeit zwischen Schulen und Theatern wichtig. Und diese Zusammenarbeit ist viel stärker und intensiver geworden. Ich bin als Kind nie mit der Schule ins Theater gegangen und nun ist der jährliche Theaterbesuch bei vielen Schule verpflichtend. Auch die Angebote von Theatern, selbst zu spielen, sind viel breiter und zahlreicher geworden. Auch weil es eine große Nachfrage gibt. Deswegen kann ich nicht behaupten, dass das Interesse speziell bei jungen Menschen abgenommen hat. Ich habe eher das Gefühl, dass das Interesse bei der breiten Bevölkerung abgenommen hat, weil viele Medien einfacher und von zu Hause zugänglich sind als das Theater.
Chiara (Campusradio): Was sind Vorurteile, die junge Menschen über das Theater haben?
Birga Ipsen: Ähnliche wie die von Erwachsenen: Es ist langweilig und verstaubt.
Chiara (Campusradio): Wie denken Sie, wäre Ihre Einstellung zum Theater, wenn Sie selbst ein Jugendlicher in der heutigen Generation wären?
Birga Ipsen: Uh, schwere Frage. Um ehrlich zu sein, fand ich Theater als Teenager auch langweilig und verstaubt. Aber ich habe als Teenager auch kein Theater gesehen.
Chiara (Campusradio): Das Theater Baden-Baden unternimmt ja schon einiges, um junge Menschen wieder fürs Theater zu begeistern. Können Sie ihre Projekte (Kinder- und Jugendtheater, Workshops etc.) kurz vorstellen.
Birga Ipsen: Einerseits geben wir uns natürlich immer viel Mühe mit dem Programm. Wir suchen unsere Stücke thematisch so aus, dass sie speziell für die entsprechenden Altersgruppen interessant sind, denn die Hauptinteressen verschieben sich mit entsprechendem Alter ein wenig. Andererseits versuchen wir auch immer ästhetisch herausfordernd zu sein und eine Bandbreite von Stilmittel und Theatermitteln konzeptuell zu verwenden. Unser neustes Stück DIE FUNDSACHE arbeitet mit Objekttheater, KRABAT mit Schatten- und Maskentheater, etc. Außerdem haben wir eine bunte Mischung aus bekannten, aber auch neuen Stoffen, so dass wir das Publikum mal „abholen“ und mal „überrumpeln“.
Wichtig ist aber neben dem Spielbetrieb aber natürlich unsere Theaterpädagogik mit den Spielclubs für verschiedene Altersgruppen, der Kinderclub, der Jugendclub, der Club Inclusive, in denen sich jungen Menschen im Theater selbst ausprobieren können, eine Premiere haben, auf der Bühne stehen und vom Publikum bejubelt werden können. Außerdem bieten wir Workshops für Klassen an, so dass auch in Anlehnung an unsere Stücke, der Theaterbesuch spielerisch und sinnlich vor- oder nacherlebt werden kann. Denn etwas sehen, ist immer etwas anderes als es selbst zu machen. Wir haben den Welttag des Theaters für junges Publikum quasi ein Tag der offenen Tür und Theaterfest mit Aufführungen, Workshops, Mitmachaktionen, Schminken, Theaterführungen. Wir versuchen als Haus so offen wie möglich für junge Menschen zu sein. Man kann Praktikums in den verschiedenen Abteilungen machen, beim Girls and Boys Day reinschnuppern. Wichtig ist: Wir haben immer eine offene Tür und zeigen uns gerne.
Chiara (Campusradio): Sehen Sie eine Veränderung in der Art und Weise, wie Theaterstücke heute inszeniert werden, die das Interesse junger Zuschauer steigern könnten? Was für Themen müssen in Theaterstücken angesprochen werden, damit Sie junge Menschen begeistern?
Birga Ipsen: Wie schon in der ersten Frage gesagt: das Kinder- und Jugendtheater hat sich massiv verändert. Und es wird auch immer wichtiger und bedeutender. Schließlich sind (und das Bewusstsein dafür steigt) junge Menschen viel interessanter als Publikum, weil für sie noch alles neu oder zumindest neuer ist. Die Themen sind ähnlich wie beim „Erwachsenentheater“, nur haben sie ein anderes Kostüm an. Liebe, Verlust, Ängste, Zweifel, Erfolg, der Einzelne in der Gesellschaft, wie gestaltet sich eine Gesellschaft. Kinder haben instinktiv ein Gespür für Dramatik und das Absurde, bei Jugendlich ändert sich das ein wenig. Deswegen ist die Darstellungsform und -art, die Ästhetik und die Mittel, die eingesetzt werden, das Ausschlagebene. Aber es gibt kein Allgemeinkonzept, kein Rezept, nach dem man backen kann und dann mag es jeder. Deswegen ist alles ein Versuch, Erfahrung lehrt einen, aber wie bei Erwachsenen: Geschmäcker sind so verschieden und das fängt bei Kindern schon an.
Chiara (Campusradio): Was sind deiner Meinung nach die größten Herausforderungen für Theaterhäuser, um junge Zielgruppen zu erreichen und zu begeistern
Birga Ipsen: Die Herausforderungen sind die Strukturen des Schulsystems und die Alltagsstruktur von jungen Menschen. Schulen haben kaum Zeit ins Theater zu gehen, junge Menschen haben wahnsinnig volle Terminkalender. Zudem bangen wir alle darum, was die Kürzungen im Kulturhaushalt für uns bedeuten wird. Wichtig sind immer Politik, Fördergelder und Strukturen, um aufregendes Theater zu machen. Junge Menschen müssen die Möglichkeit haben ins Theater zu gehen. Da sind natürlich Schulen und Eltern angesprochen, aber auch Fördergelder, um Theaterbesuche oder die Teilnahme an Schauspielclubs, denen zu ermöglichen, die es sich finanziell nicht leisten können.
Junges Theater sollte auch immer auf Augenhöhe und im Ausstauch mit jungen Menschen stattfinden. Es sollte immer ein Dialog zwischen dem Theater und seinem Publikum sein. Meine Kolleg:innen in Baden-Württemberg (und wir versuchen das natürlich auch) leisten alle großartige Arbeit darin, junge Menschen wirklich ins Theater miteinzubeziehen und miteinzubinden. Möglichkeiten des Selbstmitgestalten ist für mich der große Schlüssel, um junges Publikum zu begeistern. Das und offene Augen und Ohren, Mut zur Kontroverse und das Angebot einen Ort des Anderssein, der Geschichten, einen Platz neben der alltäglichen Realität zu bieten. Das Theater ist ein anderes Medium, als Film und Fernsehen als Social Media und gerade das sollte gefeiert werden. Mit jungen Menschen.
Falls ihr nach diesem Interview mehr Lust auf Kultur und Veranstaltungen bekommen habt, dann hört doch mal in den „Karlsruher Kulturboten“ rein oder vielleicht ist auch unser „Kultur-Kaffeekranz“ etwas für euch!