Klimaschonend fliegen – mit E-Kerosin vom KIT
von Campusradio Karlsruhe · Veröffentlicht · Aktualisiert

E-Kerosin: Die Revolution der nachhaltigen Luftfahrt
Warum brauchen wir synthetische Kraftstoffe für Flugzeuge?
Die Luftfahrt steht vor einem gewaltigen Problem: Elektrische Antriebe mit schweren Batterien funktionieren für Flugzeuge schlecht, wasserstoffgetriebene Flugzeugturbinen sind noch Zukunftstechnologien. Das bedeutet, dass an Sustainable Aviation Fuel (SAF) – auch E-Kerosin genannt – kein Weg vorbeiführt, wenn wir nicht ganz aufs Fliegen verzichten wollen.
E-Kerosin ist klimaneutraler Flugkraftstoff, der mit grünem Strom aus Wasser und Kohlenstoff hergestellt werden kann. Der große Vorteil: E-Kerosin verringert die Bildung von Kondensstreifen, die ebenfalls zur Klimaerwärmung beitragen.
EU-Vorgaben schaffen Nachfrage
Bereits heute ist für Flüge, die von europäischen Flughäfen starten, eine Beimischung von 2% E-Kerosin zum fossilen Kerosin vorgeschrieben. Deutschland geht noch weiter und fordert 0,5% Power-to-Liquid-Kraftstoff bis 2025.
Durchbruch am KIT: 20% mehr Effizienz dank Koelektrolyse
Forschende des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) haben im Rahmen des Copernicus-Projekts Power-to-X einen wichtigen Meilenstein erreicht: Die Effizienz der E-Kerosin-Produktion konnte um 20% gesteigert werden.
Was ist Koelektrolyse?
Das Herzstück der Innovation ist die sogenannte Koelektrolyse, die Professor Roland Dittmeier als den “Goldstandard für die Herstellung synthetischer Kraftstoffe” bezeichnet. Das Verfahren hat mehrere entscheidende Vorteile:
Traditionelles Verfahren:
- Wasserelektrolyse → Wasserstoff
- Wasserstoff + CO₂ → Synthesegas (Kohlenmonoxid + Wasserstoff)
- Fischer-Tropsch-Synthese → Kohlenwasserstoffe
Neue Koelektrolyse:
- Simultane Elektrolyse von Wasserdampf und Kohlendioxid
- Ein Reaktor weniger in der Prozesskette
- Höhere Effizienz durch bessere Thermodynamik bei Wasserdampf
- Betriebstemperatur: 800°C (statt 60°C bei normaler Wasserelektrolyse)
Intelligente Wärmenutzung steigert Effizienz
Ein cleverer Trick macht das Verfahren besonders effizient: Die Abwärme der Fischer-Tropsch-Synthese wird zur Wasserdampferzeugung genutzt. Dadurch kostet die Wasserverdampfung energetisch nichts, und bis zu 85% der aufgewandten Energie finden sich im Synthesegas wieder.
Wie funktioniert die E-Kerosin-Herstellung im Detail?
Schritt 1: CO₂-Gewinnung
Das benötigte CO₂ kann aus verschiedenen Quellen stammen:
- Punktquellen wie Müllverbrennungsanlagen (oft fossil, aber auch biogen möglich)
- Direct Air Capture – direkte Filterung aus der Luft (energieaufwendiger, aber mit Abwärme optimierbar)
Schritt 2: Koelektrolyse-Modul
Das neuartige Koelektrolysemodul des Industriepartners Sunfire arbeitet folgendermaßen:
- Wasserdampf wird an einer Elektrode gespalten
- Sauerstoff wird in Oxidionen umgewandelt (O²⁻)
- Diese Ionen wandern durch einen keramischen Festkörper
- Parallel reagiert Wasserstoff mit CO₂ zu Kohlenmonoxid
- Am Ausgang entsteht die perfekte Mischung aus Kohlenmonoxid und Wasserstoff
Schritt 3: Fischer-Tropsch-Synthese
Aus dem Synthesegas entstehen verschiedene Kohlenwasserstoffe – vom kleinsten (Methan) bis zu längerkettigen Verbindungen. Dieses “synthetische Rohöl” (Syncrude) wird anschließend raffiniert, um die gewünschten Eigenschaften zu erreichen.
Optimale Kohlenstoffnutzung
Das KIT-Verfahren erreicht eine hohe Kohlenstoffeffizienz: Unumgesetztes CO und gasförmige Kurzkettige Kohlenwasserstoffe werden zurück in die Koelektrolyse geschickt. So landet der gesamte mühsam abgetrennte Kohlenstoff im flüssigen Endprodukt.
Warum E-Kerosin besser ist als fossiles Kerosin
Reduzierte Kondensstreifen-Bildung
Kondensstreifen tragen etwa doppelt so stark zur Klimaerwärmung bei wie CO₂-Emissionen. Hier zeigt E-Kerosin einen entscheidenden Vorteil:
- Fossiles Kerosin enthält Aromaten, die beim Verbrennen zur Rußbildung neigen
- E-Kerosin aus Fischer-Tropsch-Synthese ist praktisch aromatenfrei
- Weniger Rußpartikel = weniger Kondensstreifen = weniger Klimaerwärmung
Der Aromatengehalt kann nicht auf null reduziert werden, da sonst die Dichtungen im Betankungssystem undicht werden. Durch Zumischung von E-Kerosin lässt sich jedoch der minimal mögliche Aromatenanteil erreichen.
Bereits zugelassen
Synthetisches paraffinisches Kerosin ist bereits für die Luftfahrt zugelassen: Bis zu 50% können dem normalen Kerosin zugemischt werden. Die Fischer-Tropsch-Technologie ist dabei egal – entscheidend ist die Reinheit des Synthesegases.
Vom Labor zur Industrie: Skalierung der Produktion
Aktuelle Produktionskapazitäten
- Energy Lab des KIT: System im Bau für 2 Barrel (300 Liter) pro Tag
- Frankfurt-Höchst (Ineratec-Anlage): Ziel von 1 Tonne spezifikationsgerechtem Kerosin pro Tag
Diese Mengen reichen für längere Verbrennungsversuche auf Turbinenprüfständen – ein wichtiger Schritt für die Vertrauensbildung in die Technologie.
Das Investitionsproblem
Ein halbes Prozent Power-to-Liquid-Beimischung bedeutet bei 10 Millionen Tonnen Kerosinverbrauch in Deutschland immerhin 50.000 Tonnen E-Kerosin jährlich.
Das Haupthindernis: Fehlende langfristige Abnahmeverträge. Anlagen kosten etwa 3€ pro Liter Produktionskapazität, aber Investoren brauchen “Off-Take-Agreements” für 15 Jahre zu vernünftigen Preisen.
Mehrkosten für Verbraucher
Die 0,5% Beimischung verteuert das Kerosin kaum – deutlich weniger als Ölpreisschwankungen oder Steuern. Für Kunden wären diese Mehrkosten kaum spürbar.
Qualitätskontrolle und Nachweisbarkeit
Normkonformität
Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) untersucht als Projektpartner die Normkonformität des synthetischen Kerosins. Die Zulassung erfolgt über Aviation-Partner mit entsprechenden Lizenzen.
Molekulare Markierung
Um Betrug bei der Beimischung zu verhindern, wird an molekularen Markierungen gearbeitet. So können Airlines und Flughäfen nachweisen, dass sie tatsächlich nachhaltigen Flugkraftstoff verwenden.
Die Zukunft des nachhaltigen Fliegens
Regulatorische Entwicklung
- 2025: 0,5% Power-to-Liquid-Beimischung (Deutschland)
- 2030: 2% Sustainable Aviation Fuel (EU-weit)
Aktuell wird versucht, die deutschen Vorgaben zu lockern, da noch kein Power-to-Liquid im Markt verfügbar ist. Mehrere geplante Anlagen in Deutschland bekommen keine Finanzierungsentscheidung ohne langfristige Abnahmeverträge.
Technologische Vorteile der KIT-Lösung
Das Karlsruher Verfahren bietet die größte Ko-Elektrolyse-Anlage weltweit. Während es bereits Megawatt-Anlagen für reine Wasserdampf-Elektrolyse gibt, ist das KIT bei der Koelektrolyse führend.
Umweltbilanz
Da nicht-CO₂-Effekte etwa doppelt so groß sind wie CO₂-Effekte, kann klimaneutrales E-Kerosin mit reduzierter Kondensstreifenbildung einen überproportional großen Klimaschutz-Impact erzielen.
Fazit: E-Kerosin als Schlüssel zur nachhaltigen Luftfahrt
Die am KIT entwickelte Koelektrolyse-Technologie zeigt den Weg zu effizienter, klimaneutraler E-Kerosin-Produktion. Mit 20% Effizienzsteigerung und intelligenter Wärmenutzung ist das Verfahren technologisch ausgereift.
Die größte Hürde liegt nicht in der Technik, sondern in der Finanzierung: Langfristige Abnahmeverträge sind nötig, damit Investoren den Sprung zur Großproduktion wagen. Nur so kann die Luftfahrt ihren Beitrag zum Klimaschutz leisten, ohne dass wir aufs Fliegen verzichten müssen.
E-Kerosin ist mehr als nur ein Ersatz für fossiles Kerosin – es ist ein Baustein für eine klimaneutrale Zukunft der Mobilität, der bereits heute technisch machbar und regulatorisch zugelassen ist.