KI beschleunigt die Solarforschung: Perowskit-Halbleiter als Hoffnungsträger für die nächste Generation Photovoltaik
von Campusradio Karlsruhe · Veröffentlicht · Aktualisiert
Am Karlsruher Institut für Technologie entwickeln Forschende mit künstlicher Intelligenz neue Solarzellenmaterialien – effizienter, günstiger und stabiler als bisher.
Von Silizium zu Perowskit: Eine Revolution im Sonnenlicht
Die Erfolgsgeschichte der Silizium-Solarzellen begann vor Jahrzehnten – und sie hat unsere Energieversorgung grundlegend verändert. Doch inzwischen stößt die klassische Photovoltaik an physikalische Grenzen. Wer künftig mehr Ökostrom auf gleicher Fläche erzeugen will, muss neue Wege gehen.
Ein solcher Weg führt über ein neuartiges Material: Perowskit-Halbleiter. Diese Kristallstruktur, entdeckt um 2009, hat sich als hocheffizienter Lichtwandler erwiesen. Sie erreicht bereits heute Wirkungsgrade von bis zu 34 Prozent – rund sieben Prozent mehr als Silizium.
Doch noch gibt es ein Problem: die Stabilität. Während Silizium-Module 25 bis 30 Jahre durchhalten, altern Perowskit-Zellen deutlich schneller.
Forschung am KIT: Auf der Suche nach dem perfekten Materialmix
Im Next Generation Photovoltaics Lab des KIT arbeitet Professor Ulrich Petzold gemeinsam mit Professor Pascal Friederich vom Institut für Theoretische Informatik an der Lösung.
Das Ziel: Mit Hilfe von künstlicher Intelligenz (KI) und Computersimulationen jene Materialkombinationen finden, die maximale Energieausbeute und hohe Stabilität vereinen.
„Der Raum möglicher Materialien ist quasi unendlich groß“, erklärt Friederich. „Mit KI können wir gezielt nach den richtigen Kandidaten suchen.“
KI als Labor-Assistentin: Lernen in Echtzeit
Traditionell mussten Forschende ein Material nach dem anderen herstellen und testen – ein mühsamer, teurer und langsamer Prozess. Heute simulieren sie per Quantenmechanik und Machine Learning, welche Kombination von Elementen und Molekülen am erfolgversprechendsten ist.
So entsteht das Konzept des „Self-Driving Lab“:
Jedes Experiment liefert Daten, die sofort in das KI-Modell einfließen. Die Maschine lernt, bessere Vorschläge für die nächsten Experimente zu machen – ein Kreislauf aus Datengenerierung, Simulation und Optimierung.
„Wir kombinieren Experimente und Simulationen in einem geschlossenen Lernprozess“, so Friederich. „Das beschleunigt die Materialsuche um ein Vielfaches.“
Generative KI: Vom Sonnenlicht zur maßgeschneiderten Solarzelle
Neu ist auch der Einsatz generativer KI – jener Technologie, die auch bei Bildgeneratoren wie DALL·E oder ChatGPT zum Einsatz kommt.
Diese Systeme können hypothetische Materialien „entwerfen“, die gewünschte Eigenschaften besitzen, etwa bestimmte Bandlücken oder eine besonders hohe Defekttoleranz.
„Das Ziel ist, vom gewünschten Ergebnis ausgehend das Material zu generieren, das es ermöglicht“, erklärt Friederich.
Noch ist das Zukunftsmusik. Denn nicht jedes am Computer „erfundene“ Material lässt sich auch im Labor synthetisieren. Doch das Zusammenspiel von KI-Modellen und realen Experimenten verbessert sich stetig.
Das Ende der Black Box: Erklärbare KI in der Materialforschung
Ein weiterer Durchbruch zeichnet sich ab: erklärbare künstliche Intelligenz.
Bisher wussten Forschende oft nicht genau, warum eine KI ein bestimmtes Material empfahl. Am KIT arbeitet man daher an selbsterklärenden Modellen, die ihre Entscheidungen nachvollziehbar machen.
„Wir wollen verstehen, wie Materialeigenschaften zusammenhängen“, sagt Petzold. „Nur so können wir gezielt bessere Solarzellen entwickeln.“
Tandemzellen: Doppelte Effizienz durch clevere Kombination
Ein entscheidender Vorteil der Perowskit-Halbleiter liegt in der variablen Bandlücke – also dem Bereich des Lichts, den sie in Strom umwandeln.
So lassen sich zwei Solarzellen übereinander stapeln, die verschiedene Teile des Sonnenspektrums nutzen: sogenannte Tandemzellen.
Damit könnten künftig noch höhere Wirkungsgrade erzielt werden – bei gleichzeitig geringeren Produktionskosten.
Stabilität und Nachhaltigkeit als nächste Herausforderung
Trotz beeindruckender Fortschritte bleibt die Lebensdauer der Perowskit-Zellen eine Hürde.
Chemische Reaktionen, Temperaturbelastungen und Sonneneinstrahlung greifen das Material an.
„Wir sind viele Größenordnungen stabiler geworden“, so Petzold. „Uns fehlt nur noch die letzte.“
Mit neuen Kombinationen, innovativer Schichtarchitektur und KI-gestützter Analyse will das Team auch dieses Problem lösen.
Photovoltaik made in Europe: Politische und wirtschaftliche Perspektiven
2025 musste die letzte große Solarzellenproduktion in Deutschland schließen. Doch mit Materialien wie Perowskit könnte die europäische Solarindustrie ein Comeback erleben.
„Es braucht politische Entscheidungen für mehr Resilienz“, fordert Petzold.
„Ein gewisser Anteil an europäisch produzierten Modulen sollte in großen Solarparks verpflichtend sein.“
So könnte die Photovoltaikproduktion zurück nach Europa geholt und gleichzeitig die Energieunabhängigkeit gestärkt werden.
Fazit: Smarte Materialien für die Energiewende
Perowskit-Halbleiter gelten als das Material der Zukunft.
Mit Hilfe von künstlicher Intelligenz, Simulation und Experiment rücken hocheffiziente, langlebige und günstige Solarzellen in greifbare Nähe.
Das Karlsruher Forschungsteam zeigt, wie Digitalisierung und Materialwissenschaft zusammen die Energiewende beschleunigen können – und vielleicht bald den nächsten Technologiesprung in der Photovoltaik auslösen.







