🤖 Cyborg wider Willen? Wie Forschende am KIT die Akzeptanz von Exoskeletten untersuchen
von Campusradio Karlsruhe · Veröffentlicht · Aktualisiert
Hollywood trifft Hightech:
Was in Filmen wie Iron Man oder Avatar als futuristische Superkraft erscheint, ist in der Realität längst angekommen – Exoskelette unterstützen heute Menschen beim Heben schwerer Lasten, in der Rehabilitation oder bei Rettungseinsätzen. Doch trotz technischer Fortschritte haben viele Vorbehalte gegenüber dieser „zweiten Haut aus Stahl und Sensoren“.
Warum fällt es uns so schwer, Maschinen auf unseren Körper zu lassen?
Dieser Frage gehen Forschende des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) nach – allen voran der Akzeptanzforscher Jérémie Leßin vom Institut für Technikfolgenabschätzung und Systemanalyse (ITAS).
🦾 Exoskelette – vom Science-Fiction-Traum zum Alltagstool
Exoskelette sind tragbare robotische Systeme, die menschliche Bewegungen unterstützen oder verstärken.
Sie finden Anwendung in der Industrie, um körperlich schwere Arbeit zu erleichtern, oder in der Medizin, um Patientinnen und Patienten nach Unfällen wieder auf die Beine zu bringen.
Der weltweite Markt wächst rasant: Laut einer Studie des Fortune Magazine soll er bis 2032 auf über 30 Milliarden US-Dollar steigen.
Doch trotz dieser Prognosen bleiben viele Geräte im Lager statt im Einsatz – weil Beschäftigte sie als unbequem, unnatürlich oder störend empfinden.
🧠 Zwischen Technik und Psychologie – Akzeptanz als Schlüssel
„In der Industrie liegt das Problem oft darin, dass diese Geräte einfach nicht wirklich angenommen werden“, erklärt Leßin.
Selbst wenn Exoskelette objektiv helfen, empfinden viele sie als Eingriff in ihre Selbstwahrnehmung.
„Ich bekomme Unterstützung, aber ich opfere Bewegungsfreiheit. Diese Balance passiert im Kopf – das ist eine zutiefst persönliche Entscheidung.“
Die KIT-Forschung zeigt: Technische Perfektion allein reicht nicht.
Ob jemand ein Exoskelett tragen möchte, hängt stark von subjektiven Faktoren ab – Komfort, Selbstbild, soziale Akzeptanz und emotionale Reaktionen.
⚙️ Mini-Motoren, Sensoren und KI – der technologische Fortschritt
Dank moderner Robotik, Sensorik und Künstlicher Intelligenz können Exoskelette heute präzise Bewegungen erkennen und nachahmen.
Besonders wichtig ist die sogenannte prädiktive Bewegung – also das Vorhersehen, wann der Mensch eine Bewegung ausführt, damit das Exoskelett synchron reagiert.
Leßin betont:
„Allein das Treppensteigen erfordert eine enorme Menge an Sensorik, Software und Ingenieurskunst.“
Doch selbst wenn die Technik funktioniert – die Akzeptanz bleibt das Nadelöhr.
🩰 Was High Heels mit Exoskeletten zu tun haben
Ein ungewöhnlicher Vergleich hilft, das Problem zu verstehen: High Heels.
Sie sind unbequem, unpraktisch und gesundheitsschädlich – und werden trotzdem getragen.
„Die Entscheidung, High Heels zu tragen, ist selten rational. Genauso ist es mit Exoskeletten: Es geht um Identität, Selbstbild und gesellschaftliche Wahrnehmung“, erklärt Leßin.
Forschung am KIT zeigt: Akzeptanz entsteht nicht im Labor, sondern im sozialen Kontext – im Arbeitsumfeld, im Team, im Kopf.
🧩 Mensch und Maschine als Einheit – das soziotechnische System
Exoskelette verschmelzen in gewisser Weise mit ihrem Träger.
Damit werden sie zu einem soziotechnischen System – einer Verbindung aus Technologie und Mensch.
Leßin stellt die entscheidende Frage:
„Was ist die Hauptfunktion eines Exoskeletts? Technisch gesehen: Unterstützung.
Aber aus meiner Sicht: getragen zu werden. Ohne Akzeptanz gibt es keine Wirkung.“
Wer ein Exoskelett trägt, sendet auch soziale Signale: Stärke, Verletzlichkeit, Anderssein.
Wie Kolleginnen und Kollegen reagieren, beeinflusst, ob das Gerät langfristig genutzt wird.
⚡ Gehirnimplantate und ethische Fragen
Ein Blick in die Zukunft zeigt, wie eng die Verbindung zwischen Mensch und Maschine werden könnte.
Exoskelette lassen sich bereits über Gehirnimplantate steuern – ein Fortschritt, der querschnittsgelähmten Menschen Mobilität zurückgeben kann.
Doch die Technik birgt auch Risiken:
Was passiert, wenn Hersteller insolvent werden und die Implantate nicht mehr gewartet werden können?
Leßin warnt:
„Menschen könnten auf defekten Implantaten sitzen bleiben. Das nennt sich Abandonware – eine gefährliche Entwicklung, über die wir gesellschaftlich diskutieren müssen.“
🧭 Fazit: Technik braucht Vertrauen – und Verständnis für den Menschen
Exoskelette zeigen exemplarisch, dass Innovation mehr ist als Ingenieurskunst.
Es geht darum, wie Menschen Technik erleben, verstehen und in ihren Alltag integrieren.
Die Forschung am KIT verbindet daher Sozialwissenschaft, Ethik und Ingenieurwesen – mit dem Ziel, Technologien zu entwickeln, die nicht nur funktionieren, sondern auch akzeptiert werden.
„Wir müssen den Menschen helfen, herauszufinden, was sie wirklich wollen – auch wenn sie es selbst noch nicht wissen“, sagt Leßin.


